Neues aus der Musik-Redaktion
Vater, Mutter, Sucht
Eine Rezension von Beate Dapper
Das nebulöse Schweigen und Verdrängen, um die scheinbare gut funktionierende
Familienstruktur nach außen zu wahren. Die quälende Machtlosigkeit kleiner
Menschen, denen nur Angst und Sehnsucht im Umgang mit Süchten der Eltern bleibt.
Das Gefühl, diesen Zustand in der Familie „irgendwie“ selbst schuld zu sein und die
damit verbundenen Versuche, ein „besonders liebes Kind“ sein zu wollen, oder ein
„auffälliges Kind“, dass irgendwo Gehör finden möchte.
Dies und mehr nehmen Kinder in ihr eigenes Erwachsenenleben mit, können später
die Ursachen für ihre Gefühle oft nicht einordnen und leben nicht selten viele, viele
Jahre nicht IHR Leben.
Wenn Waltraut Barnowski-Geiser in Ihrem neuen Buch über Suchtprobleme in der Familie
spricht, geht es selten um die, die anerkannt und behandelt werden, mit denen offen
umgegangen wird und sich alle Seiten dazu äußern dürfen. Es geht um die, die sich ein
ganzes Leben lang irgendwie durchschleppen, die „Familie in der Festung, verschworen
und gepanzert“: Der Alkoholmissbrauch, der „hier und da“ – aber nie berechenbar – mal
die Familie durcheinanderbringt. Die Kaufsucht, die Streit und den Schwur, es nicht mehr
zu tun, zur Folge hat. (…) „Zusammenleben als Kampf – in der Familien-Arena“, so
beschreibt es Waltraut Barnowski-Geiser und bringt die Unberechenbarkeit als zentralen
Faktor hervor:
„Menschen in Suchtfamilien kämpfen: um den Süchtigen und die Aufgabe des
Suchtmittels, um die Gesundheit des Suchtkranken oder deren Wiederherstellung, um
Normalität, um ein besseres Leben, um den Erhalt einer Fassade nach außen und um
Liebe und Anerkennung (…), selbstverständlich angenommen zu sein und endlich Liebe
ohne Leistung zu bekommen.“
„Diese in ihrem Ausmaß kaum zu erfüllenden Wünsche können an Partner/innen ebenso
gestellt werden wie an die eigenen Kinder oder Freunde oder Chefs – oftmals enden
solche Beziehungen, die in großer Sehnsucht eingegangen werden, tragisch, müssen doch
beide Parteien feststellen, dass die unendliche Sehnsucht aus Kindertagen kaum erfüllbar
erscheint – wechselseitige Enttäuschung ist vorprogrammiert.“
Waltraut Barnowski-Geiser zeigt Mittel
und Wege, wie Erwachsene durch all
die Verdrängungsmechanismen in ihrer
Kindheit hindurch erst einmal
erkennen, was sie an sich selbst als
unecht wahrnehmen, um dann
Lösungen und Befreiung zu erreichen.
Ein Selbsttest, der erkennen lässt,
welche Rollen und welche Sehnsüchte
jeder individuell mit sich trägt, gibt
Aufschluss. Ihr Programm (AWOKADO)
hält Lösungen bereit …
Vielen Dank für dieses tolle Buch, das der vielschichtigen Problematik „Sucht“ und allen
Beteiligten mit Respekt und Würde begegnet! Es gibt hier keine „Täter“ und keine
„Opfer“, und so nimmt Waltraut Barnowski-Geiser schon von Anfang an der „negativen
Energie des Besonderen“ den Wind aus den Segeln, die der Seele von Betroffenen sonst
wieder und wieder die lange gelernte Kraft des beschützen Wollens oder des
Rechtfertigens geben würde.
Seit 1999 werden in der Gesamtschule Rheydt-Mülfort Fördergruppen sowie
Einzeltherapie mit Kindern aus belasteten Familien erfolgreich angeboten. Im
Mittelpunkt steht der Schüler in seinem „So-Sein“ und die Würdigung seines individuellen
Erlebens. Gearbeitet wird mit Spiel, Musik, Kunst, Improvisation und
klientelspezifisch entwickelten Methoden auf der Basis des AWOKADO-Konzeptes.
Aus dem Inhalt
Suchtkinder & Partnerschaft
… Kinder in Suchtfamilien lernen vor allem, dass sie nicht belasten dürfen. Sie sollen
möglichst keine Probleme machen und nicht auffallen, damit die Sucht nicht auffällt. …
Nicht auffallen, sich anpassen, nichts in Anspruch nehmen usw. …
Ein Teil der Kinder übernimmt diesen Auftrag perfekt und füllt ihn auch mit späteren
Partnern aus. Sie lesen jeden Wunsch von den Augen ab, spüren, was gewünscht wird,
bevor es überhaupt ausgesprochen wird. (...) Die Selbstaufgabe ist den Suchtkindern so
selbstverständlich und wird so perfekt gelebt, dass sie vom Gegenüber – und manchmal
auch von ihnen selbst – kaum wahrgenommen wird.
Irgendwann wird eine derartige Verschmelzung langweilig, die Symbiose stresst. … Die
Beziehung gerät in eine Krise; dies erleben Suchtkinder neuerlich als existentiell
bedrohlich. Die Angst vor Verlust ist riesengroß. Bei manchen ist sie so groß, dass sie
augenblicklich bei ersten Anzeichen eines drohenden Partnerverlustes selbst den Bruch
herbeiführen. Sie gehen aus der Beziehung, bevor sie verlassen werden. ...
Suchtkinder & Therapie
… So berichten Suchtkinder, dass ihnen, erzählten sie real erlebte Schrecken der
Suchkindheit, kurzerhand Wahnvorstellungen, Psychosen, Spaltungen zugeschrieben
wurden …
… Wo traumatisch Erlebtes „mal eben“ an die Oberfläche katapultiert wird, ist Vorsicht
angeraten – hoch gespülte Gefühle aus Kindheitstagen gehören in professionell geschulte
Hände, ansonsten wird Retraumatisierungen, emotionalem Missbrauch und co-abhängigen
Strukturen Tür und Tor geöffnet. … Die Identität der Suchtkinder gerät ins Wanken.
Beschämt und noch tiefer selbst verunsichert, erdulden Suchtkinder derartiges lange
schweigend, stumm, neuerlich ohne Worte für Erlittenes – oftmals, um Therapeuten in alt
vertrauter Suchtfamilienloyalität zu schützen und zugleich hoffend, dass alles doch noch
gut werde. ...
cc
Ich möchte Menschen bei
der Entfaltung ihrer
Potenziale unterstützen:
gerade, wenn ihre
Biografie sie scheinbar
daran hindert. Ich habe
kompetente Helfer an
meiner Seite: Musik und
kreative Medien.
Waltraut Barnowski-Geiser
Vater, Mutter, Sucht
Wie erwachsene Kinder suchtkranker
Eltern trotzdem ihr Glück finden
ISBN: 978-3-608-86050-4
Aufl age: 1 (2015)
141 Seiten, broschiert
14,95 EUR
auch als E-BOOK (13,99 EUR)
http://www.klett-cotta.de
Die Musiktherapeutin und Heilpraktikerin für
Psychotherapie arbeitet seit vielen Jahren im
Bereich der familiären Suchtbelastung. Als
Lehrende und Therapeutin ist sie vor allem in
Schulen, Hochschulen, therapeutischen
Ausbildungsgängen und in freier Praxis in
Erkelenz tätig. Ihre Träume formuliert sie auf
Ihrer Internetseite so:
Ich träume...
•
von einem Miteinander in Frieden und
von (gewalt)-freier künstlerischer
Kommunika-tion, die Verbindung
stiften darf.
•
dass Kinder und Erwachsene aus sucht-
und bindungsproblematischen Familien
nicht länger alleine dastehen.
•
von Schulen, in denen Kinder in ihrer
Einzigartigkeit wertgeschätzt werden
und ihre schöpferische Kreativität
entfalten können.
•
von pädagogischen Einrichtungen, die
Erlebens- und Beziehungsräume
anbieten.
Mehr: www.barnowski-geiser.de
Und hier finden Sie ein
Profil von Waltraut Barnowski-Geiser.