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Mal mit Ernst! Zukunftsmusik in kritischer Tonart N eulich saß ich völlig entspannt in meinem Lieblingscafé. Bei eisiger Kälte und strahlendem Sonnenschein genoss ich einen heißen Tee und die Aussicht. Ich sah zur Tür. Herr Krahl und Frau Biltas kamen hörbar schlotternd herein und „suchten“ einen Platz – an meinem Tisch. „Sie haben doch nichts dagegen?“, fragte Herrn Krahl rein rhetorisch und legte schon während er sich seines Mantel entledigte los. „Ach, die Zeiten. Sie werden immer schlimmer! Stellen Sie sich vor: Nur noch 18 Prozent der Eltern finden die Fächer Sport, Kunst und Musik wichtig – 82 Prozent nicht. Wo soll das enden? Man sieht ja sowieso keine Kinder mehr auf den Straßen spielen; die sitzen wahrscheinlich alle in Englischkursen, Mathe-Rallyes und ach, ich weiß nicht, wo sonst noch …“ Ich brauchte zu lange, um Luft zu holen, da warf Frau Biltas schon ein: „Na, in Politik- und Wirtschaftslaboren natürlich. Damit das Drittel der Eltern, die diese Fächer favorisieren, ihre Sprösslinge fit für die Zukunft wähnen! 33 Prozent! Das muss man sich mal vorstellen.“ E rstaunt gab ich zu, dass mir die Vorstellung einer Welt ohne Musik nicht gefiel. Auch das Szenario, dass keiner mehr an Schulen die Neugier auf Sport und Kunst entwickeln würde, verursachte in mir eher ein mulmiges Gefühl. Und während Herr Krahl und Frau Biltas ihre Getränke bestellten, spielte mein Kopf eine kleine Zukunftsmusik in (zunächst) kritischer Tonart: I n dieser Zukunft wäre – wenn ich Herrn Krahls und Frau Biltas Furcht, ähm Befürchtung, teilen könnte – keine Zeit mehr für Schönes, für Bewegung, für Ausgleich. Logischerweise gäbe es dann irgendwann auch keine Orchester, keine Sänger, keine Komponisten mehr und somit auch keine Konzerte, kein Radio, keine Theaterhäuser ... Es gäbe auch keine „Spieler“ mehr – weder Tennisspieler, noch Fußballspieler und auch keine Schauspieler oder Flötenspieler. Wäre ja alles Zeitverschwendung. Den Kreativen, die das alles für uns erfunden haben, wäre dann auch die Lust vergangen und ihr Publikum ins Nirvana des „kontrolliert Berechenbaren“ entwischt. – Könnte es wirklich so kommen, dass die Erwachsenen Kindern das Sinnliche austrieben? Könnte es sein, dass sie sich keine Zeit mehr für Freiraum, Freizeit, Freiheit nähmen? Und wären Menschen dann überhaupt noch liebesfähig? – Nun, Arbeitgeber hätten schon etwas davon. Es gäbe nämlich keinen Liebeskummer mehr und somit auch keine immer mal wiederkehrenden Unkonzentriertheiten. Die Schmetterlinge im Bauch, die sorglos herumflatterten, wären ausgestorben – und unzählige andere Verursacher schöner Gefühle auch.  N un, da mir dank dieser beiden Zeitgenossen, die übrigens grau-schwarz weiter philosophierten, etwas fröstelig zumute war, fiel mein Blick auf den Platz vor dem Café. Da hob ein Kind mit geheimnisvollem Lächeln eine Büroklammer, ein Stöckchen und einen Cent auf und ließ seine Schätze in der Hosentasche verschwinden, während die Mutter versuchte, es in den Supermarkt zu ziehen. Und da wurde mir klar: Solange es noch Kinder gibt, die spielend die Welt erkunden, wird es all das geben, von dem manche von uns glauben, dass sie nutzlos sind. Da freut sich Jogi, das Nachbarkind: Heute haben meine Eltern dem Rektor gesagt, dass ich keine Zeit hätte, den Nachmittagskurs „Wirtschaft und Werbung“ zu belegen, weil ich da meinen Malkurs habe. Und außerdem wüsste ich schon, dass Plastikspielzeug weder laufen, noch sprechen könnte und dass der Jogurt nicht nach „guter Laune“ schmeckt. (Beate Dapper, 12/2015) cc
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